Mit sich im Frieden sein, tut gut
Was wurde uns nicht alles eingeredet, dass wir‘s nötig hätten: Jede Menge Anschaffungen und Spaß bis die Schwarte kracht. Inzwischen ist es so etwas wie die viel zitierte Zeitenwende: unabsehbare Folgen des Klimawandels, Tausende Ertrunkene im Mittelmeer, im Krieg scheint der Stärkste sich wieder das Recht auf Weltgestaltung zu nehmen, Post-Covid und erstarkender Populismus – die Stimmung scheint zu drehen. Gang und gäbe war ein Verrücktspielen ohne Vernunft, neulich wollte man noch Menschen klonen. Aber es gibt Tendenzen in Richtung einer neuen Bescheidenheit. Gehen die Leute in sich? Zusammenfinden ist gefragt, mehr Achtsamkeit, Wellness, die Leib und Seele aufbaut, offene Kirchen, auch bei Verödung religiösen Verstehens insgesamt. Es wächst die Sehnsucht nach Zufriedenheit.
Zufrieden sind wir, wenn wir zum Frieden kommen, also zu einem dem Streit entgegengesetzten Zustand einer äußeren und inneren Ruhe. Zufriedenheit trägt einen leicht verächtlichen Klang nach Friedhofsruhe und Schläfrigkeit, aber eigentlich ist sie eine zauberhafte Macht; sie betreibt, dass wir einander begreifen und ohne Böswilligkeit auskommen. Die einen wollen nie wieder eifersüchtig sein, die anderen wollen nie wieder triumphieren. Gelingen macht zufrieden. Eine Arbeit tut gut, in der ich nicht nur irgendwas erledige, sondern in der ich mich verwirkliche. Das bewirkt ein sonnenhaftes, funkelndes Dasein mit innerem Wachstum.
Hilfreich ist weniger Zerstreuung und mehr merken, was mir gut tut. Bei allen Lockrufen und Einladungen halte einen Augenblick inne, Mensch: "Moment mal! Was dir da angeboten und eingeschmeichelt wird, willst du das denn?" Das braucht natürlich, dass du angeschlossen bist an die eigenen Wünsche. Was macht dir Freude? Stillt es eins deiner Verlangen? Ja, wonach verlangt dein Ich? Makellose Haut, gesünder leben, eine Reise vielleicht. Aber eigentlich brauchst du Nähe, willst gemocht oder geliebt sein. – Dann lebe in diese Richtung, zeig dein freundliches Gesicht, mehre die Freundschaft, stehe bei, erhebe den andern zu sich, tu die Arbeit der Liebe.
Bist du mit dir im Frieden, dann bewahre diese Gestimmtheit; was dich stört, das meide oder bring es zügig hinter dich. Notwendiges lerne achten, hadere nicht mit dem Unausweichlichen. Mit dem Unzulänglichen, auch mit deinen Schwächen, finde ein Auskommen. Und sei zufrieden, wenn dir bewusst wird, dass du genießt – dann bist du dankbar, du musst es nicht begreifen. Wie wir überhaupt das Leben nicht zu verstehen brauchen. Uns darin zurechtzufinden reicht.
Frank Schuster, Pfarrer an der Martin-Luther-Kirche in Neustadt