Am 7. Oktober 2014 startete das Projekt: Abendmahlstisch.
Die Künstlerin Dorothée Aschoff lud dazu Dekan Armin Jung, Pfarrer Oliver Beckmann und die Vorsitzende des Fördervereins Stiftskirche Neustadt, Christiane Conrad, in ihr Atelier ein.
Das Grundgerüst steht, nun kann die Gestaltung beginnen.
zur Vorgeschichte:
Das Presbyterium der Stiftskirchengemeinde Neustadt entschied sich nach Abschluss der Innenrenovierung den Kirchenraum mit einem Abendmahlstisch auszustatten, der „den gottesdienstlichen und liturgischen Anforderungen in der Nutzung durch die Gemeinde in zeitgemäßer und würdiger Form dienen soll“. *
Es folgte ein Wettbewerb, zu dem die Stiftskirchengemeinde drei Künstler zur Teilnahme auswählte.
Mit großer Mehrheit entschied sich das Presbyterium für den Entwurf von Dorothée Aschoff, ein ovaler Abendmahlstisch (ca. 2,30 x 0,90 m) auf Rollen mit einer Glasplatte als Abdeckung.
*(Auszug aus der Ausschreibung des Wettbewerbs)
zurück zu unserem Kunstwerk:
Dorothée Aschoff arbeitet bevorzugt mit dem Material Papier.
Papier – ein natürlicher Werkstoff, der künstlerisch vielseitig Verwendung findet.
Meine ersten Assoziationen zu „Kunst aus Papier“ sind filigrane Skulpturen, leicht und beschwingt.
Kann Papier so verbunden werden, dass es eine Härte und Festigkeit erhält, um eine ca. 75 kg schwere Glasplatte zu tragen?
Ein Blick ins Atelier wird uns darauf Aufschluss geben.
Bei meinem heutigen Ateliersbesuch durfte ich der Künstlerin über die Schulter schauen und mich mit ihrer Technik der Papiergestaltung vertraut machen.
Frau Aschoff arbeitet mit einer leichten Pappe, die sie in beliebig kleine Stücke reißt.
Diese Papierstücke werden in einen Zweikomponenten-Harz getränkt und in unzähligen Schichten übereinander verklebt.
Zuerst geliert der eingesetzte Harz und mit der nächsten chemischen Reaktion verbindet er die übereinander geschichteten Papierlagen.
Nach der Trockenphase sind diese Papierschichtungen so ausgehärtet, dass ich mir um die Standfestigkeit des Abendmahlstischs keine Gedanken mehr mache.
Für meinen nächsten Atelierbesuch hat mir Frau Aschoff etwas Geheimnisvolles angekündigt.
Was gibt es heute Geheimnisvolles?
Beim Betreten des Ateliers fällt mir zuerst auf, dass das Kunstwerk „auf dem Kopf steht“ – was verbirgt sich dahinter? Heute ist der Tag, an dem der Abendmahlstisch „Füße“ bekommt. Um eine sichere Standfestigkeit des Tisches zu gewährleisten, hat sich Frau Aschoff gegen ihre ursprüngliche Planung von integrierten Rollen entschieden.
Aber wie kann trotz „Füße“ die Mobilität des Tisches möglich sein? Dieser - vielleicht nach physikalischen Grundlagen - technischen Umsetzung werde ich bei meiner nächsten Stippvisite auf den Grund gehen.
Doch zurück zum Geheimnisvollen:
Die Künstlerin lässt bei der Gestaltung biblische Symbolik einfließen. So besteht der Abendmahlstisch aus 2014 (n. Chr.) Schichtungen. Auf die 20. Lage trägt Frau Aschoff ein Quäntchen Blattgold auf. Dies in Erinnerung an die erste römische Besiedlung im Raum „Neustadt“ (20 n. Chr.). Warum Gold? Mit ihren Goldhelmen und goldverzierten Ausrüstungen trugen die römischen Legionäre ihren Reichtum und Prunk offen zur Schau.
Ich bin gespannt, ob ich nach der Fertigstellung des Abendmahlstischs das Edelmetall wieder entdecke!
Bei meinem heutigen Besuch wollte ich mich den Füßen des Abendmahlstischs widmen. Doch bei Betrachtung des Kunstobjekts entdecke ich eine mysteriöse Öffnung am Fundament - ein Geheimfach? Was verbirgt sich darin?
Fasziniert bin ich von der Farbenpracht und der Sichtbarkeit der
verarbeiteten filigranen Papierlagen.
Bei genauer Betrachtung erkennt man Tropfen, die sich von oben nach unten gezogen haben (gleich Stalaktiten), aber auch in gegenteiliger Form (Stalagmiten) entstanden sind.
Im Hintergrund erkennt man schemenhaft: die Füße
8 sollen es sein - warum 8? Die liegende ? steht als Symbol für die Unendlichkeit.
Der Abendmahlstisch wächst und erhält seine spezifische Form.
Wie wirkt das entstehende Kunstwerk auf mich?
Es ist ein lebendiges Gesamtbild mit teils bizarren Formen. Aussehen, Farbe und Struktur gleicht Schiefergestein. Und dies fasziniert mich am Werkstoff Papier: ein natürlicher Werkstoff, variabel in Farbe und Struktur, vielseitig einsetzbar. Papier begleitet die Menschen schon seit fast 2000 Jahren. Die Erfindung der Papierherstellung hat dazu beigetragen, dass sich das Wissen verbreitete.
Heute wird ein weiteres Detail in das Kunstwerk eingearbeitet.
In Erinnerung an die Verleihung der Stadtrechte an Neustadt durch König Rudolf I von Habsburg wurde in der 1275 Schichtung eine verkleinerte Abbildung der Verleihungsurkunde mit dem Stadtsiegel aufgebracht.
Eine schöne Geste an die Stadt Neustadt.
Noch 12 Tage bis zur "Indienststellung" - eine seltsam anmutende Wortwahl, wenn es sich um die Präsentation eines Kunstwerks handelt, aber der Abendmahlstisch ist ein Gebrauchsgegenstand, der für gottesdienstliche und liturgische Handlungen genutzt wird.
Mit Spannung erwarte ich die logistische Herausforderung beim Transport und Aufbau in der kommenden Woche.
Die letzte entscheidende Woche ist angebrochen. Das Kunstwerk steht vor der Vollendung. Der Abendmahlstisch wirkt schon erhaben und mächtig in dem kleinen gemütlichen Atelier. Wie wird er in dem großen Kirchenschiff auf seinem vorgesehenen Platz im Chorraum auf mich wirken? Wie beeinflussen vielleicht die Lichtverhältnisse in der Kirche sein Aussehen? Spannende Fragen, die ich mir bei seiner Präsentation im Gottesdienst am 1. Advent (30.11.2014) selbst beantworten kann.
Heute ist sein großer Tag - noch steht der Abendmahlstisch etwas verloren im Morgengrauen vor dem Atelier und warten auf den Abtransport. Doch mit großem Gefährt und ausgeklügelter Sicherung wird der Tisch auf den Transporter gehoben und seine kurze Reise durch die Stadt beginnt.
Passt der Abendmahlstisch durch die Tür?
Millimeterarbeit - aber es funktioniert und die erste Hürde ist genommen.
Nun heißt es den Abendmahlstisch, der ja ein Gewicht von ca. 660 kg hat, auf das Podest im Chorraum zu stellen.
Wie die Stufen überwinden?
Schreinermeister Thomas Grund hatte eine hervorragende Lösung parat und baute im Vorfeld eine Rampe. Beachtlich mit welcher Präzision dies vorbereitet war und mit welcher Ruhe und Fachkompetenz die Mitarbeiter der Schreinerei Grund diese spektakuläre und schwierige Anlieferung durchführten.
Nun war es vollbracht.
Der Abendmahlstisch hat seinen Platz in der Stiftskirche eingenommen.
Erst durch den Abschluss mit einer Glasplatte, die der Form eines Fisches ähnelt, wird das Kunstwerk zu einem Tisch.
Um den liturgischen Anforderungen zu genügen, wurden aus Glas auch eine Umrandung für die Taufschale und eine Buchstütze für die Bibel von Dorothée Aschoff entworfen und von dem Neustadter Glaskünstler Wolfgang Helfferich gefertigt.
Die Glasarbeiten fügen sich durch ihre klaren Linien wunderbar in das Gesamtbild ein, versprühen eine Leichtigkeit, bleiben dezent und lassen das Kunstwerk aus Papier in seiner ganzen Form wirken.
Am 1. Advent (30. November 2014) wurde der Abendmahlstisch im Gottesdienst offiziell in Dienst gestellt.
Ich bedanke mich herzlich bei Frau Aschoff, dass ich sie bei der Entstehung des Abendmahlstisch begleiten durfte. Es wird ein unvergessliches Erlebnis für mich bleiben.
Text: Charlotte Witte, Prot. Dekanat Neustadt
Fotos: Charlotte Witte, Dorothée Aschoff
Besuchen Sie unsere Bildgalerie mit allen Fotos zur Entstehung des Abendmahlstischs